Geschichte
Das im Ortsteil Volpertshausen gelegene, im Fachwerkstil gebaute Goethehaus Volpertshausen, seit Jahrzehnten unter Denkmalschutz stehend, hat eine besondere Geschichte. War es doch früher nicht Heimatmuseum, sondern zunächst Jagdhaus der Landgrafen von Nassau-Weilburg, die es in der Regentschaft Karl-Augusts errichten ließen. Im Erdgeschoss wohnte der im Dienste des Landgrafen stehende Oberförster Johann-Gottfried Seiffert, der sich um die Hege und Pflege des Waldes kümmerte und damit auch seinen Dienstherren vertrat. Er hatte dafür Sorge zu tragen, dass die Wilderei in den fürstlichen Wäldern nicht überhandnahm, war doch das Waidwerk in diesen Zeiten allein dem Adel vorbehalten. Neben seine Pflichten als Förster betrieb er Landwirtschaft, denn er konnte vom Salär der Landgrafen alleine seine Familie nicht ernähren. Das Amtshaus verfügte im 1. Stock über einen großen Saal, der repräsentativ genug war, um die landgräflichen Gesellschaften zu versammeln und diesen Raum gab, das erjagte Wildbret zu verzehren.
Ein Höhepunkt in der Geschichte des Hauses war das Ballvergnügen im Sommer des Jahres 1772, an dem Johann Wolfgang Goethe, der spätere Dichterfürst, teilnahm.
Diesem Ereignis verdankt das Gebäude seinen Namen “Goethehaus Volpertshausen”.
Von Mitte Mai bis zum 11. September dieses Jahres war Goethe in Wetzlar als Praktikant am Reichskammergericht immatrikuliert. Sein Vater war mit den juristischen Leistungen seines Sohnes in Frankfurt unzufrieden, eine Ausbildung am Reichskammergericht in Wetzlar sollte die Lücken in den Rechtskenntnissen schließen. Goethe schrieb sich zwar in die Liste der Reichspraktikanten ein, hatte jedoch kaum juristische Tätigkeiten während der Zeit in Wetzlar aufzuweisen.
Am 9. Juni 1772 richtete die Hofrätin Lange aus Wetzlar, Goethes Großtante, im Jägerhaus in Volpertshausen, den für Kenner der Literatur berühmt gewordenen „Ball auf dem Lande“ aus, sie wollte ihren Großneffen in die Wetzlarer Gesellschaft einzuführen.
An diesem warmen Juniabend kamen 25 junge Leute, 13 Damen und 12 Herren, mit der Kutsche oder zu Pferde nach Volpertshausen. Mit dabei waren auch Johann Christian Kestner und Karl Wilhelm Jerusalem.
Dieser Ball in Volpertshausen hinterließ bei Goethe einen unauslöschlichen Eindruck, nicht zuletzt deswegen, weil er dort die 19jährige Tochter Charlotte des Deutsch-Ordens-Amtmanns Heinrich Adam Buff aus Wetzlar kennenlernte. Goethe verliebte sich in sie, obwohl Charlotte zu dieser Zeit schon mit dem hannoverschen Legationssekretär Johann Christian Kestner verlobt war und besuchte „Lotte“ nach dem Ball oft in ihrem Elternhaus auf dem Deutschordenshof. Die Mutter lebte nicht mehr und es war die zweitälteste Tochter Charlotte, die sich um ihre sieben jüngeren Geschwister kümmerte, was ihre Anziehungskraft auf Goethe noch erhöhte. Als Charlotte ihm eines Tages allerdings unmissverständlich zu verstehen gab, dass es für sie keine gemeinsame Zukunft geben könne, verließ er Wetzlar am 11. September desselben Jahres, ohne sich von ihr verabschiedet zu haben. Den Schmerz über die Trennung verarbeitete Goethe in seinem 1774 erschienenen Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“, in dem er viele erlebte Einzelheiten der Ballnacht in Volpertshausen einfließen ließ.
Das Gebäude ist seit 1838 im Besitz der Gemeinde, war bis 1965 Schule und Lehrerwohnung. Ob Goethe das Haus schon im verputzten Zustand erlebt hat, wissen wir nicht. Doch wurde 1934 das Fachwerk freigelegt und der Schulsaal ins Erdgeschoss verlegt.
Nach dem Auszug der Schule fand der Kindergarten seine Bleibe. Ab 1989 wurde das Gebäude innen und außen gründlich renoviert und am 9. August 1992 im Rahmen einer großen Einweihungsfeier der Öffentlichkeit als Museum zugänglich gemacht. Es wird vom Keller bis zum Dachgeschoss museal genutzt. 330 m2 Ausstellungsfläche bieten Platz für fast 3000 Exponate.